Wandern im Bratental

Autor Jutta Ronnenberg
Veröffentlichung 1995

Aus unseren Unterlagen: zum 17. Göttinger Wandertag mit dem Titel: "Kleiner Wanderführer durchs Bratental".

Verfasst, etwa 1995, von Jutta Ronnenberg


Der Roringer Heimatverein begrüßt Sie herzlich und möchte sie ein Stück weit in unserer Heimat auf ihrem Wanderweg begleiten. Besonders, wenn Sie die Route zwei wandern möchten, kann ich Ihnen einiges erzählen!

Sie durchwandern unser schönes Bratental in der Gemarkung Roringen. Der ursprüngliche Name des Tales war Breitental. Im Laufe der Zeit hat es sich durch die hiesige Mundart, das „Ei“ wie ein „A“ auszusprechen (z.B.: ein = aan, zwei = zwaa), in Bratental gewandelt.

Wenn Sie rechts schauen, sehen Sie Roringen, das Dorf auf der Höhe. Es wurde 1196 urkundlich erwähnt und war ein Stadtdorf. 1848 löste das Dorf seine Verpflichtungen aus dem Stadtdorfstatus ab. 1973 wurde Roringen von der Stadt Göttingen eingemeindet und seitdem von dort verwaltet. Die Einwohnerzahl beträgt 1156.

Wenn Sie einmal zurückschauen, sehen Sie südlich den Kartoffelstein. Er steht weithin sichtbar auf einer kleinen Anhöhe, dem Hasenknüll. Die Errichtung des Kartoffelsteins hat folgende Geschichte: Der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingeführte Kartoffelanbau erreichte erst um 1850 größeren Umfang und damit auch größere Bedeutung für die Ernährung der Bevölkerung. Etwa zu dieser Zeit, 1845–1850, wurde unsere Heimat von einer rätselhaften Kartoffelkrankheit heimgesucht. Es wird berichtet, dass ein Bauer von seinem dreiviertel Morgen großen Acker nur einen Sack Kartoffeln erntete, die noch dazu klein wie Haselnüsse waren. Heute beträgt die Ernte von einem Morgen 50–80 Zentner. Nach dem Ausfall der Kartoffeln für die Ernährung durchlitten unsere Vorfahren eine schlimme Notzeit. Als die erste wieder gut ausfallende Kartoffelernte eingebracht wurde, entschloss man sich, aus Dankbarkeit ein Denkmal zu setzen. Der damalige Pastor Böker beschaffte das Geld aus dem Verkauf alter Grabsteine des Roringer Kirchhofs. Das ursprüngliche Denkmal wurde 1937 vom Blitz getroffen und zertrümmert. Am 15.8.1937 wurde das Denkmal neu erstellt. 1966 wurde es abermals, dem alten Vorbild getreu, mit widerstandsfähigem Material erneuert.

Der Stein hat für die Gemeinden Roringen und Herberhausen eine überaus verbindende Bedeutung, da hier jedes Jahr im Sommer ein gemeinsamer Gottesdienst beider Kirchengemeinden abgehalten wird.

Links des Bratentals zieht sich steil abfallend die Lieth. Auf deren Kuppel befindet sich der einst so idyllische Ort Nikolausberg.

Vom Ort Roringen, sich in das Tal ergießend, sehen Sie den Opferbach, der aus den zahlreichen Quellen des Ortes gespeist wird und etwa auf der Höhe der Knochenmühle in die Lutter fließt. Roringen ist, was seine Lage nicht vermuten lässt, ein wasserreicher Ort, in dem es 40 Brunnen gab.

Rechts darüber befand sich die Kläranlage unseres Ortes. Die nun beginnende Waldung ist der Ortloh, deren Besitzer die Realgemeinde Roringen ist.

Die ortsnahen Wälder wurden früher von den Dorfbewohnern gerne für die Fütterung der Haustiere genutzt. Man trieb Schweine, Ziegen und Kühe in den Wald und ließ sie dort weiden. Die Eicheln, Bucheckern und Kastanien brachten besonders bei Schweinen eine gute Mast. Dieses bedingte auch eine besondere Waldform: man bevorzugte Bäume, mit großen, weit ausladenden Kronen, die sich von selbst durch den ständigen Verbiss durch Schafe, Ziegen und Kühe entwickelten. Für den Brennholzbedarf reichte diese Waldform alle Mal! Heute hingegen versucht man gezielt, lange, hoch aufgeschlossene Bäume mit kleinen Kronen und wenig Ästen zu ziehen, um hochwertiges Stammholz zu erzielen. Im Ortloh hatte sich lange die ursprüngliche Form des beschriebenen Hütewaldes erhalten. Erst in neuerer Zeit wurde durch Einschlag und darauffolgende Anpflanzungen der Wald neu, den heutigen Ansprüchen entsprechend angelegt. Der Ortloh ist ein Wald, der einst geheiligt war, wie sich aus dem Wortbestandteil „Loh“ ergibt. Er heißt Ortloh nach seinem „Ort“, und das ist ein Vorsprung des Ortloh-Hügels in das Bratental. Dieser Ort hieß „auf dem Opferplatz“. Dem Opferplatz gegenüber, jenseits des Bratentales und nordwestlich des Opferplatzes liegt der Elfenbusch, eine terrassenartige Erhöhung mit Bäumen. Von hier aus bietet sich eine weite Aussicht durch das Bratental nach Osten und durch ein anderes sich nach Süden erschreckendes Tal. Der Elfenbusch liegt am Nordostfuß des Nikolausberges. Kalksteinfelsen bilden hier eine kleine Wand. Durch sie konnten die Elfen aus dem Nikolausberg zum Elfenbusch gelangen und von diesem in den Berg zurückkehren. Oberhalb dieser Wand, mehr nach West-Südwest, befindet sich der Sender Göttingen.

Nun wenden wir uns wieder der linken Seite, der Lieth zu. Das Häuschen ist die Pumpstation unserer ersten Wasserversorgungsanlage von 1958 bis 1959. In 75 m Tiefe stieß man hier auf einen unterirdischen See, der sich ganz unter dem Bratental erstreckt. Er wurde nach dem Geologen, der ihn entdeckte, „Ackermann’sche See“ genannt. Das Wasser wurde von hier zum Menzelberg und weiter zum noch höher gelegenen Drakenberg gepumpt. Von hier gelangte das Wasser mit ausreichendem Druck in die Wohnhäuser und Ställe unseres Ortes Roringen. Seit 1983 sind wir der Harz-Wasserversorgungsleitung angeschlossen. Der Eselsstieg ist ein Pfad, der sich die Lieth hinaufzieht. Er ist heute noch ein viel genutzter Weg zwischen Roringen und Nikolausberg.

Dazu kann ich eine lustige Geschichte zum Besten geben: Die Nikolausberger und die Roringer gerieten sich auf ihren Festen stets in die Haare, was die Nikolausberger nicht davon abhielt, in Roringen zu den Festlichkeiten zu erscheinen, obwohl sie, wie in Roringen erzählt wird, stets den Kürzeren zogen und ihre Prügel einstecken mussten. Anlässlich einer Kirmes gab es also traditionsgemäß Streit. Großzügig luden die Roringer den vermeintlichen Stänkerer in ein Auto und beförderten denselben nach Hause. Als die Roringer nun mit stolzgeschwellter Brust ob ihrer guten Tat wieder auf dem Saal erschienen, war die soeben von Ihnen beförderte Person schon wieder anwesend und grinste ihrerseits den Fahrern entgegen. Er hatte den Eselsstieg benutzt und war also schneller als das Auto. Die Schlacht begann von Neuem.

Weiter auf der linken Seite bleibend, sehen wir einen Weg, der zur Rieswarte führt. Sie wurde 1438 erbaut. Die Rieswarte hatte zur Zeit der Landwehr eine verbindende Grabenanlage zur Roringer Warte, auf die wir noch kommen.

Ein freier Platz, von dem nun beginnenden Weender Wald, ist ein Stück Magerrasen, auf dem wir noch seltene Orchideen antreffen können. Nach dem großen Bogen links des Ortloh kommen wir nun in das nach Süden ziehende Tal auf der Roringer Warte oder Bärenwinkelswarte zu. Bereits 1406-1407 beginnt man mit dem Bau der Warte „by dem Berwynkeke up jenesyden Roryngen“, wie es in einer Urkunde heißt. Die Roringer Warte ist von allen Göttinger Warten am längsten im Gebrauch gewesen. Ab dem 16. Jahrhundert als Holzhauer-Wohnung. Durch den glücklichen Umstand, dass die Stadt Göttingen Eigentumsrechte geltend machte, wurde beim Ausbau der Landstraße Anfang des 19. Jahrhunderts die Warte nicht abgebrochen. Sie ist verhältnismäßig gut erhalten und zeigt uns, wie die Warten im Mittelalter ausgesehen haben. Neben dem Wartturm befanden sich noch ein als Warthaus bezeichnetes Gebäude, ein Stall und ein Brunnen. Reste der Grabenverbindung findet man, wenn man von der Warte nördlich in Richtung Rieswarte wandert.

Nun müssen Sie die B 27 überqueren, um auf den Sportplatz zu gelangen. Nehmen Sie zu Ihrer Sicherheit die Ampelüberquerung vor dem Gasthaus „Zum Drakenberg“. Der Sportplatz und das Sporthaus wurden von den Mitgliedern des Sportvereins in Eigenleistung erbaut.

Wir wünschen Ihnen dort einen erholsamen Aufenthalt und eine gute Heimkehr.

Ihr Roringer Heimatverein